Saugbagger Elerweerd, Steengoed, Belgien
Mehr Effizienz und Materialschonung
Ende August haben wir, die World Dredgers GmbH & Co. KG, Wesel (WD), für das Konsortium Steengoed, bestehend aus acht Kiesunternehmen, einen neuen Saugbagger in Elerweerd, Belgien, aufgebaut. Das besondere daran: Dank der autonomen GPS-basierten Bewegungssteuerung agiert der Bagger selbständig für einen optimierten und effizienten Gewinnungsbetrieb. Auch bei Störungen oder Materialeinbruch schaltet der Sauger automatisch um und zieht sich zurück.
Es ist 6.00 Uhr, kurz hinter der niederländisch-belgischen Grenze. Schon vom weitem erkennt man die hohen Kranausleger. Heute wird der neue Saugbagger zu Wasser gelassen. Vor Ort sieht man dann die gesamten Dimensionen dieser Aktion. Drei riesige Autokrane haben sich in Stellung gebracht. Geschäftiges Treiben, Abstimmung per Funk, ein Kollege im Arbeitsboot beobachtet die Aktion von der Seeseite. „Eigentlich müssen wir das Ganze nur rund 25 Meter vom Land ins Wasser setzen. Wir müssen aber mit zwei Kränen parallel arbeiten, haben also nur einen sehr eingeschränkten Arbeitsradius. Da kommt es auf Kleinigkeiten an. Immerhin wiegt der Schwimmkörper des Geräts 80 Tonnen.“, erklärt der Projektleiter der Kranfirma. Etwa 50 Meter entfernt arbeiten die Kollegen von der Elektronik-Abteilung zeitgleich daran, eine der Booster-Pumpstantionen an Land zu verkabeln. Dann ist es soweit: Ganz sanft wird angehoben, nach vorne versetzt und gut 60 Minuten später schwimmt das knapp 25 Meter lange und fast 10 Meter breite Chassis. Geschafft. Die Anschlagmittel können entfernt werden. Danach folgen heute und morgen der Aufbau von zwei bereits ausgebauten Containern mit Elektronik, das Steuerhaus und schließlich die Saugpumpe. Hierfür genügt ein Kran. Matthias Blessing, der das Gerät als Maschinenbauingenieur bei WorldDredgers konstruiert hat, ist sichtlich erleichtert: „Die finalen Installationen, letzte Verkabelungen, Aufbau der Geländer, Leitern und Reling sowie der Anschluss der Pumpe inkl. Testlauf dauert dann voraussichtlich noch fünf bis sechs Tage, so dass der Saugbagger Anfang September betriebsbereit übergeben werden kann.“
Chassis (von den Kränen ins Wasser gehoben):
Länge: 24,5 m | Breite: 9,1 m | Gewicht: 80 t
Gesamtmaße mit allen An- und Aufbauten:
Länge: 49,5 m | Breite: 9,1 m | Gewicht: 110 t
Gemischförderleistung: 1500 m³/h
Feststoffförderleistung: 660 t/h
Maximale Baggertiefe: 42 m unter Wasserlinie
Das 170 Hektar große Projekt „Elerweerd“ liegt an der Grenze zwischen Dilsen-Stokkem und Maaseik. Seit 2019 werden hier jährlich ca. 1,5 Mio. Tonnen Kiese sowie Füllsand gewonnen. Betreiber ist eine Initiative von Steengoed Projecten, Regional Landscape Kempen und Maasland. Ziel des Projektes ist, neben der Rohstoffgewinnung, die Erhöhung der Flusssicherheit bei hohen Abflüssen in der Maas und die Schaffung einzigartiger Naturwerte.
„Mit dem neuen Bagger werden wir vor allem Sand aus diesem bereits „bearbeiteten“ See fördern und dann zur Wiederverfüllung an eine andere Stelle transportieren. Da es sich um einen internen Materialtransport handelt, ist die Effizienz also hohe Fördermenge bei geringen Betriebskosten immens wichtig.“, so David Musiek, Geschäftsführer belmagri, eines der Partnerunternehmen des Betreiberkonsortiums.
Nassabgrabung 2.0
„Mit dieser Technik sind wir führend in Europa. Die Möglichkeit, den Bagger per GPS frei, also im Grunde „Mann-los“, auf der Seefläche zu bewegen und dabei das individuelle Geländemodell des Untergrunds zu berücksichtigen, setzt neue Maßstäbe in der effizienten Rohstoffgewinnung durch Nassabgrabung.“, erklärt Emad Zoghi, seit 2022 Geschäftsführer der WorldDredgers GmbH & Co. KG. „Neben der kundenspezifischen Planung eines neuen Gewinnungsgeräts sowie Konstruktion und Vor-Ort-Installation aus einer Hand, ging es vor allem um die automatisierte Effizienzsteigerung bei individuellen Gegebenheiten im Untergrund“, so Zoghi weiter. Als Maschinenbauingenieur und Projektleiter bringt Zoghi internationale Erfahrung mit. Seither hat er mit seinem Team viel Zeit und Know-how in die Entwicklung digitaler Systeme investiert. „Der dezentrale Zugriff auf die Steuerung eines Saugbaggers, auch in Echtzeit, ist ja schon fast normal. Früher musste immer ein Techniker hinfahren und vor Ort alles durchprüfen. Lange Anfahrten bedeuten aber Stillstand und das kostet Zeit und Geld. Schon lange loggen wir uns per Laptop beispielsweise von Wesel aus auf Gewinnungsgeräte unserer Kunden in Deutschland, Frankreich oder Skandinavien ein. Wir sehen das, was auch der Baggerführer sieht, manchmal sogar noch etwas mehr, wenn wir die „Technik dahinter“ analysieren. Auch wenn ein Saugbagger von außen nicht nach Industrie 4.0 aussieht, steckt da eine Menge komplexer Prozesssteuerung, die vor allem auf Effizienz hinsichtlich Energieverbrauch und optimaler Produktionsmenge ausgelegt ist. Neben der Saugleistung, Abbautiefe, GPS-gesteuerte Positionsbestimmung bzw. -Bewegung sind auch die komplette Steuerung der modernen Elektromotoren, die nachgelagerten Transportbänder sowie zwischengeschalteten Booster digital miteinander verbunden. Wenn da nur ein Parameter nicht ganz korrekt eingestellt ist, kommt schon eine Meldung. Manchmal sind es aber nur kleine Dinge im System, in den Einstellungen, die verändert werden müssen, oder das elektronische Steuersystem muss kurz angepackt werden, damit wieder alles optimal läuft. Das dauert eventuell nur einige Minuten oder wenige Stunden. Per digitaler Fernwartung können wir schnell Softwarefehler finden und beheben bzw. direkt bei Störungen und Stillstand eingreifen. Der Schritt zur autonomen Bewegungssteuerung war da nur die logische Konsequenz.“
Materialschonung und Flexibilität beim Personaleinsatz
Nach viel Vorarbeit für den geplanten Bagger in Elerweerd, wurde die autonome Bewegungssteuerung als Technologie dann im Frühjahr 2024 erstmals auf einem vorhandenen Saugbagger in Ophoven, Nordrhein-Westfalen, installiert und in der Praxis getestet. „Das hat uns nochmal wesentlich weitergebracht und zusätzliche Hilfestellungen für das finale System für Elerweerd geliefert.“, so Zoghi. Grundlage ist eine eigens programmiertes, GPS-basiertes Prozessteuerung, die ermöglicht, dass der Saugbagger seine Position auf dem See selbstständig und vollautomatisch verändert, ohne dass der Baggerführer aktiv eingreift. Als Grundlage wird ständig ein 3D-Geländemodell des Untergrunds erstellt, auf das die Steuerung des Baggers und der Pumpe reagieren. Ergänzend zur Position werden somit Saugleistung und entsprechende Parameter automatisiert an das Materialvorkommen bzw. die Bodenstruktur am Grund des Sees angepasst. Zoghi: „Damit kann das Gewinnungsgerät beispielsweise „ganz alleine“ eine vorher definierte, Seefläche, bzw. besser gesagt, Struktur am Grund des Sees, abarbeiten. Der gesamte Prozess wird parallel per Monitor visualisiert bzw. auf Wunsch dokumentiert.“
Auch bei einem Materialeinbruch, oder Fremdkörpern oder „Lehm“, erkennt das System selbstständig die Situation und reagiert automatisch. Das reduziert Ausfallzeiten und verlängert die Lebensdauer aller Komponenten. Neben mehr Effizienz und Materialschonung bei der Rohstoffgewinnung ergeben sich auch zusätzliche Möglichkeiten für den übergreifenden Personaleinsatz. Der Baggerführer könnte parallel die Produktion, das Schöpfrad oder die Beladung von LKWs überwachen, was in Zeiten von Fachkräftemangel ein weiteres Argument ist. Im Grunde könnte der Bagger damit auch nachts selbstständig arbeiten und so die Materialgewinnung optimieren. Auch für die Nachauskiesung mit Saugbaggern ist das eine lohnenswerte nachträgliche Investition, da gerade hier bereits gebaggerte Untergründe nochmals systematisch nach vorher festgelegtem GPS-Raster gesaugt werden können.“
Theorie und Praxis aus einer Hand
Um die Leistung des Systems ergänzend zu optimieren, gleichzeitig aber auch den Aufwand für Wartung bzw. Ersatzteilkosten zu reduzieren, wurden erstmalig auf dem Bagger und den beiden nachgeschalteten Boostern der 3,7 km langen Förderleitung identische Pumpensysteme installiert. Hierbei profitiert World Dredgers als Teil des Hülskens Firmenverbands von den Synergien und der Kooperation mit anderen Unternehmensbereichen, wie Hülskens Industrieservice inkl. Konstruktionsabteilung, Stahl- und Motorenbau sowie einer eigenen Elektro- und Programmierabteilung. Hinzu kommen selbstverständlich die langjährigen Erfahrungen der Kies und Sandgewinnung und den damit verbundenen Anforderungen und Herausforderungen für solche Anlagen.
David Musiek: „Uns war wichtig, ein funktionierendes System aus einer Hand zu bekommen, von der Planung bis zum einsatzbereiten Gerät. Da geht es natürlich um technische Details und Kosten, aber auch darum, dass man weiß, was so ein System tagtäglich in der Praxis leisten muss. Zudem war unsere Anforderung bei der Auftragsvergabe im Herbst 2023, dass der Bagger spätestens Ende 2024 in Betrieb gehen kann. Beides hat sehr gut funktioniert.“